Kollage von Abbildungen von Bushido, Eminem und Dieter Bohlen

"Bohlen - Bushido - Eminem" Was haben die drei von der Tankstelle gemeinsam? Viel Geld abseits von Musik verdient.

Buch als Medium im Wandel der ZeitBücher, die die Welt nicht braucht (Bohlen, Bushido, Eminem im Bücherregal?

Dieter Bohlen mit 'nem Biolek-Lächeln, Bushido in kontraststarkem pseudo-intellektuellen Schwarz-Weiß und Eminem in Denkerpose mit Nickelbrille? Die Buchcover machen Kabarett Konkurrenz. Das gemeinsame Thema: Autobiografien. Ergo: bezahlte Selbstbeweihräucherung. Mein Anreiz darüber einen allgemeinen Veriss zu schreiben? Irgendwer hat mal gesagt, dass Bücher die Welt verändern würden. Das war gestern. Denn heute weigern sich diejenigen eine Autobiografie zu schreiben, bei denen es ein wirklich brennend interessieren würde diese zu lesen, und von jenen von denen man eh das gesamte Privatleben aus Klatschzeitungen schon kennt, gibt's das Ganze jetzt auch unnötiger Weise noch ungebeten als Buch zusammen gebunden. Und wahrscheinlich noch etwas beschönigt. Das sind wirklich die 3 letzten Menschen auf dem Planeten von denen ich mir Einblicke ins Tagebuch erhaschen möchte. OK, zugegeben: am ehesten noch von Eminem. Aber am Ende sind sie alle 2 aus einem Grund in meinem Veriss gelandet: Die Buchwelt hat heute eh schon zu kämpfen und es gibt unfassbar viele wirklich wichtige noch nicht verlegte oder noch nicht übersetzte Bücher da draußen die gelesen werden sollten, müssten. Und ausgerechnet für diese 3 Biografien wurde nun vom Verlag angefangen bis hin zur Druckerpresse Geld und Papier verschwendet. Und das möge mir ein Eminem bitte nicht übel nehmen, aber diese absurde gesellschaftliche Priorität und auch die Vorstellung wie solche Bücher dann in Bibliotheken neben wirklich bedeutenden Biografien stehen werden, verdient eine leidenschaftliche Schmäh-Renzension.

Und dabei kann man schonmal bei dem "Kostümwechsel" passend zum Missbrauch des Mediums Buch anfangen. Vorher vielleicht noch mit Schusswaffen und leicht bekleideten "Damen" in einem Musik-Video und von einer Sekunde auf die Andere auf dem Buchcover die "Leseratte" mit Nickelbrille mimen. Auch wenn ich Verkaufsstrategien in gewissem Maß verzeihlich finde und ja selbst immer zu Leuten, die das alles zu kritisch sehen sage: "Leute! Selbst der Out-Of-Bed Look braucht zwei Stunden vor dem Spiegel! Es gibt nicht die 'guten' und die 'bösen' Jungs im Musikbusiness, es gibt nur 'gutes' oder 'schlechtes' Musikbusiness". Ja aber 'gutes' ist es nur dann, wenn es gut gemacht ist. Und man nicht zu offensichtlich für "dumm verkauft" wird. Das ist selbst mir jetzt hier echt ein wenig zu offensichtlich. 

Aber der Ausverkauf hat ja bis jetzt vor Nichts und Niemandem halt gemacht. Das Buch als Vermarktungsinstrument von Musik-Konserven zu missbrauchen ist für mich der Gipfel der Kultur-Ausverkauf-Dreistigkeit. Die ja die Musikbranche in den letzten Jahrzehnten eh stark für sich gepachtet hat. Man könnte meinen sie hat sie erfunden. Und auch hier belegt die Musikindustrie wieder ihre mentale Nähe zur Porno-Industrie. Diese hat den Buchmarkt nämlich unlängst für sich erobert. Oder man könnte es auch anders herum sehen: Wie so oft, hinkt die Musikindustrie auch da halt wieder mal ein wenig hinter dem Zeitgeist hinterher.

Für den Rückgang der Verkaufszahlen das Internet die Schuld in die Schuhe schieben und seine "Zugpferde" in Buchform verticken. Das Verhalten der Musikbranche nimmt lobbistische Dimensionen an. Und wieder der selbe Etiketten-Schwindel wie schon früher. Bestseller natürlich. Die Musikindustrie hört partout nicht auf an Ränge, Chart Platzierungen und Top-Listen zu glauben. Dabei müsste ihnen doch längst einmal aufgegangen sein, was Künstler welche in aktuellen Charts meist gar nicht vertreten sind - wie zum Beispiel sogenannte "Evergreens" (damit sind die ewig bekannten Songs gemeint), oder auch regionale Live-Bands - so an Jahresumsatz machen: Nämlich oft mehr als ihre frisch gebackenen Top 10 Künstler. Warum? Weil die Top-10 eine Milchmädchen-Rechnung sind. Und immer waren. Und genau das machen sie hier wieder: So bekannte Gesichter müssten ja Buchbestseller sein. Nur sind das halt Bücher, die in einem Jahr nicht mal mehr die Fans interessiert, während "Der Fänger im Roggen" wahrscheinlich nie aufhören wird gekauft und gelesen zu werden. Genau der selbe Trugschluss wie bei den Musikhitkonserven, von denen man viele ein Jahr später vergessen hat.

Wo die Buchverkäufe zurückgehen, brauchen die Verlage Schlagwort-Themen und neue Leser. Und der uninformierte Musik-Chart hörige Musikfan möchte seiner Freundin beweisen, dass er auch mal ein Buch gelesen hat. So kommt eine Biografie von einem durchschnittlichen Schriftsteller (Und damit meine ich nicht den Künstler der seinen Namen dafür hergibt, sondern der Typ, der sein Schreibtalent für diesen Künstler auf dem Cover hergibt) auf Platz Eins der Büchercharts. Weil die Charts inzwischen eh schon total im Keller sind und Platz 1 heute nur noch 1/10-tel verkaufter Bücher bedeutet als noch vor ein paar Jahren. Und sich dann wundern, dass die Kasse wieder nicht so richtig klingelt. Naja - wären sie so gut im Umgang mit Zahlen würden sie ja auch nicht in der Musikindustrie den Manager spielen, sondern in Industriezweigen, wo die richtigen Zahlenprofis halt arbeiten. Und wo halt richtig Geld verdient wird. Während die Glas- oder die Möbel - oder die Auto - oder die Bekleidungsindustrie so ihre 20% am Jahresumsatz eines Landes für sich verbuchen können, steht Musikindustrie, für die es noch nicht wussten, unter nicht mal läppischen 3%. Damit könnte eine Partei noch nicht einmal in den Bundestag einziehen.

Da werden auch die Biografien nichts dran ändern. Und die ausgeliehenen Limousinen für die Award-Nächte auch nicht. 

Wusstet ihr dass 90% der lesenden Bevölkerung - ich meine die regelmäßigen Buchkäufer - noch nicht einmal wissen wer Bushido eigentlich ist? Auch jetzt nicht, wenn sie mit fragenden Blicken an dem Bestseller-Regal vorbeigehen. So ist das mit Statistiken und Chart-Listen. Sie sagen überhaupt nichts aus. Und wer glaubt, dass man damit Nicht-Leser zu Lesern macht, dem seien zwei Dinge gesagt: a) wird das dann eines der wenigen Bücher bleiben was Derjenige in seinem Leben je gelesen hat und somit ist das Ziel nicht nur verfehlt sondern hat auch noch "Kollateral-Schäden" verursacht - und b):

Wer sagt, dass Lesen bildet, hat vergessen hinzuzufügen, dass nicht Lesen wegen des Lesens Willen bildet, sondern die Auswahl des Lesestoffs darüber entscheidet, ob es bildet. Nur weil jemand liest und 'ne Brille trägt, ist derjenige noch lange nicht "belesen". Schon gar nicht wenn das Buchcover verrät dass es sich um eine Liebesschmonzette, einen Krimi oder eben eine Musikkünstlerbiografie neueren Datums handelt.

Wie auch immer. Musik bleibt! Auch wenn die sich darin tummelnden Manager hoffentlich bald verschwinden. Dem hoch angekündigten Finanzuntergang der Musikindustrie sei's gedankt wenn da nichts mehr zu holen ist: Musik bleibt. Und sie bleibt nun mal etwas für Musikliebhaber. Und das (bleibt und) ist auch gut so.

Ich habe Bohlens Biografie nicht gelesen, Bushidos ebenso wenig, und Eminems werde ich mit Sicherheit auch nicht lesen. Denn für mich gilt die alte Regel, die eigentlich für alle Kunst und Künstler gilt, vor allem auch wenn sie wegen irgendwelcher Aussagen oder so in Verruf geraten: Ein Musikwerk soll über die Musik beurteilt werden, nicht über die Person dahinter, oder das Video oder irgend etwas anderes. Und schon gar nicht über eine Autobiografie.

Und das Film-Produzent Gigant Bernd Eichinger, dessen Werk zwar umstritten ist, aber ich das eine oder andere davon schon verteidigte, sich die Filmrechte zu Bushidos Biografie gesichert hat, ist ein Zeichen der restlosen Verzweiflung in dieser Industrie. Oder der Versuch eines Filmveteranen die für ihn neue Hip-Hop-Kultur zu verstehen. Aber mal ehrlich, da kommt er so zirka 20 Jahre zu spät. Denn mit Hip-Hop hat das schon lange nichts mehr zu tun. Und es ist eines dieser ewigen "wer ist schneller am Abzug" Spielchen auf den Märkten, um sich die Filmrechte von potentiellen Themen zu sichern. Ich sag immer: "Wer die Rechte hat, darf sie gern behalten." Denn es ist am Ende nicht entscheident. Oder mit Onettis Worten: "Schauen sie nicht so irritiert auf meinen Mund, ich habe meine Zähne einem erfolgreicheren Schriftsteller verliehen - zumindest was die Mehrheit unter erfolgreich versteht-, er brauchte sie für die letzte Preisverleihung..." Gut nicht jeder wird die Analogie mit dem Statussymbol schöner Zähne in unserer Gesellschaft gleich verstehen. Das ist auch wie mit der Internet-Adressen-Jagd. Letztendlich gibt es nur wenig wirklich gute Web-Seiten im Internet-Jungle, und nur wenige davon berufen sich in ihren Namen auf populäre Begriffe. Das hält aber die meisten nicht davon ab, weiter Jagd auf solche Domain-Rechte zu machen.

In einem früheren Artikel wollte ich bereits den Scherz mit einbauen: "Im Übrigen werde ich mir die Filmrechte für Obama's Biografie schon mal im Vorhinein sichern". Da korrigierte mich ein Freund mit dem Hinweis, die Rechte seien ernsthaft schon vergeben und der Film käme nächstes Jahr in die Kinos. Ich so: Was? Er so: Was? -Das war von mir eigentlich als Scherz gedacht. Die Antwort hat selbst mich verblüfft.

Versteht mich nicht falsch. Ich will weder Künstlern noch ihren Fans auf die Füße treten. Aber warum kann man die Künstler nicht einfach nur durch ihre künstlerische Arbeit sprechen lassen? Dafür haben die Künstler doch ihre Bühne? Warum über ihre Lebens- ( oder Leidens-Geschichte? Andere hatten auch ein schweres Leben...

Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten und ich gehöre nicht zu den Leuten, die sich über einen erfolgreichen Musik-Act künstlich aufregen, nur weil ich dessen Musik einfach nicht mag. Ich respektiere alle hier erwähnten Künstler für ihre harte Arbeit in der Musik. Aber halt in der Musik.

Aber genauso wenig wie ich halt kein Müsli mit gebratenem Hühnchen esse oder Tomaten mit Schlagsahne, genauso wenig werde ich Bücher von Rappern oder anderen Leuten aus der Musikindustrie lesen, die ja nun wirklich vorher nie einen Hehl daraus gemacht haben, dass sie wahrscheinlich keine Leseratten waren oder sind und was sie von Büchern hielten. Mit Ausnahme von Eminem, dem ich wirklich zutraue hinter der Fassade eine "self-taught" Bildung zu haben, die vielleicht einige überrascht. 

Ich denke am Ende geht es mir hier wirklich nur um Prioritäten. Deshalb frage ich mich gerade warum ich das überhaupt geschrieben habe. Lesen werde ich keines der genannten Schmonzetten. Denn wenn ich es zeitlich schon mal wieder schaffe ein Buch zu lesen, dann lieber Eines, was es nicht schon tonnenweise in CD Form, Presseartikeln oder in Form von Klatsch und #Tratsch in Klatschblättern gibt. Da brauch ich nicht auch noch das Buchformat von.

Um irgendwelche Geschichten aus der Kindheit von Rappern zu lesen, dafür gibt es im Übrigen das Internet. Das ist voll davon ... und: Das ist billiger.

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